Fachtagsbericht vom 10. Palliativfachtag 2023
Im Winterrundbrief 2023/2024 des Hospizvereins Leipzig e.V. vom 10. Januar 2024 ist erst kürzlich wieder ein Fachtagsbericht über unseren 10. Palliativfachtag 2023 im vergangenen September erschienen. Verfasser ist diesmal unser Vorstandsmitglied Dr. med. Jörg Lauckner.
Bei dieser Gelegenheit möchten wir schon jetzt die Blicke auf unseren nächsten Palliativfachtag richten: Unser 11. Palliativfachtag 2024 wird am Mittwoch, dem 18.09.2024, wieder im Kloster Nimbschen stattfinden. Details zu den Plenarvorträgen und angebotenen Workshops sowie die dazugehörige Anmeldemöglichkeit veröffentlichen wir wie gehabt im Sommer, sobald sie spruchreif sind.
Zwischentöne – 10. Fachtag des Palliativnetzwerks Leipzig in Nimbschen
Am 13.09.2023 konnten wir unseren Palliativfachtag bereits zum 10. Mal in der Kulturscheune im Kloster Nimbschen durchführen und dazu 150 Teilnehmer begrüßen. Die Teilnehmergrenze war damit praktisch erreicht, jeder Sitzplatz in der Nachmittagsveranstaltung belegt.
„Palliativpflege mit Aromatherapie unterstützen“: Tuula Misfeld zeigte, wie ätherische Öle, Hydrolate und fette Basisöle die Palliativpflege unterstützen können. Ätherische Öle riechen faszinierend gut – aber sie wirken nicht nur über die Nase. Die Aufnahme über die Haut ist einer der wichtigsten Wege in der Aromatherapie, manchmal auch die Schleimhäute, die die Wirkstoffe in den Körper eindringen und dort wirken lassen, wo sie gebraucht werden. Das Riechen ist eng mit der Gefühlswelt verbunden und Düfte können auch deshalb das Allgemeinbefinden intensiv beeinflussen. Die Aromatherapie ist so viel mehr, als bloß eine Duftlampe aufzustellen – auch wenn das eine Methode sein kann. Die Öle lassen sich individuell mischen und in unzähliger Vielfalt anwenden.
„Konfliktbewältigung im Palliativteam“: Dipl.-Psych. Elmar Paasche vermittelte die allgemeinen Grundlagen der Entstehung, Aufrechterhaltung und Lösung von Konflikten aus systemischer Perspektive. In diesem Zusammenhang wurde auf die „Normalität“ von Konflikten auch als Zeichen von Lebendigkeit und Lernfähigkeit sozialer Systeme sowie deren maßvolle Notwendigkeit als Impulsgeber für Weiterentwicklung eingegangen. Anhand praktischer Beispiele aus dem Arbeitsalltag wurden typische Konflikte zwischen Behandlungsteam, Patient und Angehörigen näher beleuchtet, ihre Hintergründe sichtbar gemacht und Lösungsansätze vorgestellt.
„Transkulturelle Begleitung am Lebensende“: Anja Dittrich, Kinderkrankenschwester, Supervisorin/Coachin und seit diesem Jahr Koordinatorin am Zentrum für Geflüchtete in Leipzig, arbeitete mit den Teilnehmern zum Thema Trauer. Diese gehört zu den zentralen Themen aller Religionen. Welche Rituale prägen das Lebensende und wie gehen Gläubige mit dem Tod um? Menschen, die professionell Sterbende und Trauernde begleiten, stehen vor der Herausforderung, Bedürfnisse, Erwartungen und Prägungen zu erfassen, um geeignete Unterstützung leisten zu können. Im Seminar wurden Anregungen gegeben, was diese Begleitung im transkulturellen Setting braucht, mit Raum für Austausch und Fragen.
„Alles neu im Betreuungsrecht?“: Frank Hirschkorn, Fachanwalt für Medizinrecht, sowie Herr Rechtsanwalt Stefan Jacobi, der einen familienrechtlichen Tätigkeitsschwerpunkt hat, erläuterten die gesetzlichen Änderungen und Konkretisierungen durch das zum 1. Januar 2023 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungrechtes. Völlig neu besteht die Möglichkeit, mittels eines Ehegattennotvertretungsrechts tätig zu werden, mit inhaltlichen und zeitlichen Beschränkungen.
Andreas Müller stellte unter der Überschrift „Haltung und Umgang mit der Beihilfe zum Suizid im Kontext der Hospizarbeit und Palliativversorgung“ ein Dialogpapier des DHPV vor, an dem er selbst mitgewirkt hat. Er begann mit einem Rückblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, welches im Jahre 2020 die bestehende Regelung zum assistierten Suizid (§217 StGB) für verfassungswidrig und nichtig erklärt hat. Der Gesetzgeber ist nunmehr aufgefordert, den Sachverhalt neu zu regeln – dies ist jedoch bisher nicht, wie eigentlich angekündigt, erfolgt.
Herr Müller stellte die relevanten Gesetzentwürfe hier kurz vor. Des Weiteren legte er Wert auf die Abgrenzung der Begriffe Sterbehilfe und Suizidhilfe. Sterben ist ein Prozess, bei dem die Hospiz- und Palliativversorgung seit jeher umfangreiche Hilfe leistet, ein Suizid ist hingegen die legitime Möglichkeit, genau diesen Prozess zu beenden – also ein Abbruch des Sterbeprozesses. Im Verlauf stellte er Fallbeispiele und Entscheidungshilfen aus dem o.g. Dialogpapier vor und ging auch speziell noch auf die Möglichkeit des sogenannten „freiwilligen Verzichts auf Essen und Trinken“ ein. In der Zusammenfassung stellte er nochmal heraus, wie die deutschen Palliativverbände in der Diskussion um Suizidhilfe ihre Rolle sehen und ihre Beiträge leisten.
„Atemnot und Erstickungsgefühle … mögliche pflegerische Maßnahmen“, Uta Wilke, Pflegefachkraft in der Palliativversorgung, begann mit einer ganzheitlichen Betrachtung des Symptoms Atemnot. Sie stellte Atemübungen und Positionierung, rhythmische Einreibung nach Wegmann und Hauschka, atemstimulierende Einreibung und Vibrationsmassage vor und leitete schließlich über zu naturheilkundlichen Verfahren wie Hustenteemischungen, Wickel und Auflagen, Sekretolytika, Sekretomotorika aus der Aromatherapie und gab dazu jeweils einige Literaturempfehlungen. Abschließend gab sie noch allgemeine Hinweise zum Vorgehen und erwähnte einige Druckpunkte aus der TCM.
PD Dr. med. Ulrich Schuler sprach zum Umgang mit Sterbewünschen und dem Wunsch nach Suizidhilfe in der Palliativmedizin. Nicht jeder Sterbewunsch sei ein Wunsch nach Suizidhilfe und führte damit im Prinzip den Gedanken von Andreas Müller weiter. Auch wies er auf Untersuchungen hin, wonach Sterbewünsche oft nicht mit der Symptomlast korrelieren, wohl aber mit der Angst vor Symptomen. Nach einigen weiteren Ausführungen zur Ambivalenz von geäußerten Sterbewünschen führte er zwei sehr beeindruckende Videos vor, wo ein Patient und eine Patientin ihre jeweiligen Entschlüsse erläuterten. Nach weiteren Denkanstößen fasste Dr. Schuler seine Position, die er als vorsichtiges „Pro für Suizidassistenz“ bezeichnete, nochmal zusammen:
- Es gibt Situationen, in denen die Entscheidung für mich nachvollziehbar ist.
- Niemand darf zur Beihilfe „gezwungen“ werden.
- Ich darf für mich Grenzen setzen (Anforderungen an den Patienten, an den „Fall“), die über die Anforderungen des BVerfG hinausgehen.
- onkologische Erkrankung mit limitierter Prognose
- umfassende Einbeziehung der Angehörigen
- Sicherheitsaspekte für den Fall des Nichtgebrauchs der Medikation
Dann kam … Jaro. In Begleitung von Susann Thoma, psychosozialer Fachkraft im Hospiz Lebenszeit Leisnig, nahm der vierjährige Labradoodel auf einem Stuhl Platz und schaute während des gesamten Vortrags ernst und verstehend ins Auditorium. Frau Thoma verstand es unter dem Titel „Aus dem Leben des Hospizhundes Jaro“ auf einzigartige Weise, den Wert und die Leistungen ihres Therapiebegleithundes zu vermitteln. Einige Gedanken daraus:
- In meiner persönlichen Arbeit brauche ich mit Hund nie Gedanken um einen Einstieg bei neuen Gästen und Familien zu machen.
- Auch wenn alle Worte fehlen, über den Hund kann man immer sprechen.
- Die Anwesenheit des Hundes unterstützt den Unterschied zu rein medizinischen Einrichtungen
- Tierwesen transportieren eine andere Welt
Im Verlauf wies Frau Thoma noch darauf hin, dass vieles von dem Verlangten (z.B. Kontaktliegen, Eingehen auf Stimmungen) für den Hund harte Arbeit darstellt und nur auf der Basis einer gründlichen Ausbildung zu erreichen ist.
Damit endete eine für uns und viele Teilnehmer sehr erfolgreiche und bereichernde Veranstaltung. Dank gilt nochmals allen Referenten für die sehr guten Vorträge, häufig auch mit Bezug auf unser Motto „Zwischentöne“. Für den 18.09.2024 konnten wir bereits die Räumlichkeiten im Kloster Nimbschen reservieren.
Dr. med. Jörg Lauckner, Vorstandsmitglied Palliativnetzwerk Leipzig e.V.
Fotos: Madeleine Kupfer